„Kindermörder Israel!“ Antizionismus und Antisemitismus in sozialistischen und antiimperialistischen Gruppen in Österreich anhand der Beispiele RKOB und (Neue) Linkswende (Bachelorarbeit, 21.03.2016)

1. Einleitung
1.1. Relevanz und Aktualität des Themas
Seit einigen Jahren kommt es europaweit immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen auf Juden und Jüdinnen und Umfragen ergeben, dass das antisemitische Ressentiment in einigen europäischen Ländern verstärkt auftritt (Winer 2015). Auch an Orten, die sich dem politisch linken Spektrum zuordnen, wie z.B. dem Kulturzentrum Amerlinghaus, finden mittlerweile bereits auf den ersten Blick antisemitisch anmutende Veranstaltungen statt (Strawanzerin o.J.).

Es kann zum einen von einem ’neuen Antisemitismus‘ gesprochen werden, bei dem die Grenzen zwischen Antizionismus – Feindschaft gegenüber Israel und der Idee einer jüdischen Nation1 – und Antisemitismus – Feindschaft gegenüber Juden und Jüdinnen – verwischen, da Juden und Jüdinnen mit dem Staat Israel und seiner Bevölkerung gleich gesetzt werden und sich der Protest und das Ressentiment zunächst gegen Israel und nicht Juden und Jüdinnen zu richten scheinen. Detlev Claussen meint hierzu: „Es gehört zum Arsenal des Antisemitismus, zwischen Individuen und Kollektiven nicht zu differenzieren […]“ (Claussen 1987: 94.).
Seit 1945 ist es gesellschaftlich nicht mehr anerkannt, offenen Antisemitismus zu üben. Da allerdings sowohl das Verlangen nach Schuldabwehr bezüglich der nationalsozialistischen Taten sowie bestimmte antisemitische Welterklärungs- und -deutungsmuster befriedigt und entladen werden müssen, treten die Dämonisierung und Delegitimierung Israels anstatt der von Juden und Jüdinnen ein. Antizionismus, der bis zum Absprechen des Existenzrechts Israels reicht, ist also als neue Spielart des Antisemitismus zu verstehen und daher von diesem nicht strikt zu trennen. Auch
Jean Améry schrieb bereits 1969: „Fest steht: der Antisemitismus, enthalten im Anti-lsraelismus [T.S.] oder Anti-Zionismus wie das Gewitter in der Wolke, ist wiederum ehrbar. Er kann ordinär reden, dann heißt das „Verbrecherstaat Israel“. Er kann es auf manierlichere Art machen und vom „Brückenkopf des Imperialismus“ sprechen [T.S.] (…) (Améry 1969: 2.).

Zum anderen kann von einem ‚linken Antisemitismus‘ berichtet werden, da sich dieser
Antisemitismus in manchen Gruppen aus antikapitalistischen und antirassistischen Ansprüchen speist und in Österreich auch bei sozialistischen und antiimperialistischen Gruppen in Erscheinung tritt. Dieser Antikapitalismus zeichnet sich durch eine ‚verkürzte‘ Kritik aus, welche eine Personifizierung des Kapitals und des Kapitalismus vornimmt2, während dieser Antirassismus auf Basis eines manichäischen Weltbild entsteht, das zu einer bedingungslosen, unreflektierten Solidarität mit den nationalen Befreiungsbewegungen der ‚Dritten Welt‘ führt. Beide dieser Phänomene begünstigen Antisemitismus innerhalb der Linken. Aufgrund des geringen Umfangs dieser Arbeit und weil bezüglich der Gruppen Revolutionär-Kommunistische Organisation Befreiung (RKOB) und Linkswende bzw. Neue Linkswende die schwersten Vorwürfe erhoben wurden, wird sich die Analyse sozialistischer und antiimperialistischer Akteur_innen auf diese beschränken (Junge Linke 2013) (IKG Wien 2013: 19.).3

1.2. Forschungsfragen
Aus dem Forschungsinteresse ergeben sich die folgenden Fragen:
– Welche Rolle spielen Antizionismus und Antisemitismus in diesen selbstdefiniert sozialistischen und antiimperialistischen Gruppen?
– Inwiefern und warum ergeben sich Überschneidungen zwischen den Ideologien der RKOB und (Neuen) Linkswende und Antisemitismus?

2. Hauptteil
2.1. Derzeitiger Forschungsstand
Bezüglich des politikwissenschaftlichen Forschungsstands lässt sich vermerken, dass – während im Hinblick auf Deutschland genügend Literatur verfügbar ist – sich die Analyse des Antizionismus und Antisemitismus innerhalb der Linken in Österreich neben Leopold Spiras Buch ‚Feindbild ‚Jud‘: 100 Jahre politischer Antisemitismus in Österreich‘ und der Ausgabe 2/1998 von ‚Weg und Ziel‘ primär auf Beiträge des Magazins Context XXI, das als Printmedium von 1999 bis 2006 erschien, und die Forschung von Margit Reiter (2001) beschränkt. Es besteht also, abgesehen von publizistischen Veröffentlichungen, eine zehnjährige wissenschaftliche Lücke.

2.2. Theoretische Ansätze
Die Arbeit wird auf einigen theoretischen Ansätzen basieren, mit deren Hilfe es möglich ist, auch subtilen und latenten Antisemitismus sowie die Überschneidungen zwischen Antizionismus und Antisemitismus aufzuzeigen: Der 3-D-Ansatz von Natan Sharanski, die Antisemitismusforschung von Thomas Haury sowie Margit Reiters Ansätze, die spezifisch österreichischen Antisemitismus behandeln.

2.2.1. Die 3-D-Analyse von Natan Sharanski
Die 3 Ds, mit denen Natan Sharanski zwischen legitimer Israelkritik und Antisemitismus
unterscheidet, stehen für die Dämonisierung, Doppelstandards und Delegitimierung bezüglich Israel. Dämonisierung soll dabei ausdrücken, dass es sich um Antisemitismus handelt, wenn „der jüdische Staat dämonisiert wird, Israels Handeln ohne jedes Maß dargestellt wird“ (Israelkompetenzkollektion 2013) und Vergleiche der Handlungen des Staates Israel und seiner Bevölkerung mit denen der NationalsozialistInnen während der Shoah gezogen werden.

Antisemitische Doppelstandards bedeuten, dass Israel stets wegen angeblicher
Menschenrechtsverletzungen angeprangert wird, während dasselbe bezüglich anderer Staaten, in denen Menschenrechte weitaus schwerwiegender gefährdet sind, nicht getan wird. Delegitimierung heißt Sharanski zufolge, dass es sich um Antisemitismus handelt, sobald Israel das Existenzrecht abgesprochen wird.

2.2.2. Theoretische Ansätze Thomas Haurys
Laut Haury bedeutet Antisemitismus nicht bloß eine Ansammlung antijüdischer Stereotype, sondern basiert auf einer spezifischen Weltanschauung, welche „durch drei Grundprinzipien strukturiert wird: Personifizierung gesellschaftlicher Prozesse mit daraus resultierender Verschwörungstheorie; Konstruktion identitärer Kollektive; Manichäismus, der die Welt strikt in Gut und Böse teilt […].“ (Haury 2002: 158.) Er schrieb dem Marxismus-Leninismus als Ideologie Affinitäten zum Antisemitismus zu und vertritt die These, dass es sich beim Antisemitismus im Deutschland der Nachkriegszeit ob der (Mit-)Täterschaft der Bevölkerung in diesen Ländern um einen Antisemitismus „nicht trotz sondern wegen „Auschwitz““ (Broder 1986: 11.) handelt, d.h. um einen ’sekundären‘ Antisemitismus, der sich aus dem Verlangen nach Schuldabwehr bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands speist (Kistenmacher 2012: 51f.).

2.2.3. Antisemitismusforschung aus Österreich
Margit Reiter bezieht sich in ihrem Werk Unter Antisemitismusverdacht. Die österreichische Linke und Israel nach der Shoah u.a. auf die Positionen Detlev Claussens, wie z.B. die strukturell antisemitische Gleichsetzung von Juden und Jüdinnen mit dem Finanzwesen.4 Sie erweitert diese allerdings, indem sie im österreichischen Kontext dem sogenannten ‚Opfermythos‘ eine entscheidende Rolle zuspricht. Des weiteren ist Reiter der Ansicht, dass es sich auch in Österreich um einen ’sekundären Antisemitismus‘ handelt, da auch hier ein Bedürfnis nach Schuldentlastung innerhalb der Bevölkerung festzustellen sei.

2.3. Gruppendefinitionen
2.3.1. Revolutionär-Kommunistische Organisation Befreiung (RKOB)
Die am 5. April 2011 gegründete RKOB orientiert sich laut Eigendefinition an Lenin und Trotzki und unterstützt „Befreiungsbewegungen gegen nationale Unterdrückung“ und „die antiimperialistischen Kräfte unterdrückter Völker gegen die Großmächte“. Die Organisation sieht sich selbst als „revolutionäre Kampfpartei“ und „revolutionäre Führung als Alternative zu nationalistischen oder reformistischen Kräften“ und tritt für den Sozialismus ein. Ihr „Ziel ist die Befreiung der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Migrantinnen und Migranten, der Frauen und Jugendlichen sowie aller Unterdrückten durch die Zerschlagung des wirtschaftlichen und politischen System, das sie unterdrückt – dem Kapitalismus“ (RKOB – Wer wir sind o.J.). Entstanden ist die RKOB aufgrund des Ausschlusses ihrer Mitglieder aus der Liga der Sozialistischen Revolution (LSR), der österreichischen Sektion des Dachverbands LFI (Liga für die Fünfte Internationale). Mittlerweile gehört die RKOB dem Dachverband der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT) an.

2.3.2. Linkswende bzw. Neue Linkswende ((Neue) Linkswende)
Die 2003 gegründete Organisation Linkswende änderte nach einem Gerichtsverfahren, dessen Konsequenz die Insolvenz der Gruppe war, ihren Namen 2015 zu Neue Linkswende (Neue Linkswende 2015). Genauso wie die RKOB sehen sie sich als UnterstützerInnen der ArbeiterInnenbewegung und von „Befreiungsbewegungen, die sich gegen Unterdrückung durch imperialistische Staaten wehren“ und bezeichnen sich selbst als SozialistInnen. Auf Demonstrationen wie auch ihrer Website betonen sie: „Wir stehen für Solidarität mit der muslimischen Bevölkerung“ ((Neue) Linkswende – Was wir wollen o.J).

2.4. Hypothesen
Diese Arbeit soll aufzeigen, dass der von RKOB und (Neuer) Linkswende betriebene Antizionismus a) eigentlich Antisemitismus darstellt sowie, dass b) versucht wird, diesen durch Vorwürfe des Rassismus, Faschismus und/oder Terrorismus, Imperialismus und Bellizismus an Israel zu legitimieren.

2.5. Methodisches Vorgehen und Quellen
Durchgeführt wird der Großteil dieser Arbeit auf Basis der Qualitativen Inhaltsanalyse – genauer gesagt, der Zusammenfassenden Inhaltsanalyse – nach Mayring. Das zu erforschende Material wird sich bezüglich der RKOB auf deren Homepage, http://www.rkob.net, belaufen. Da die (Neue) Linkswende seit der Umbenennung ihre Homepage neu gestaltete und bespielt, werden, neben den wenigen Informationen auf ihrer Website, http://www.linkswende.org, Artikel ihrer Zeitschrift – zunächst Linkswende. Für Sozialismus von unten., später Linkswende. Monatszeitung für Sozialismus von
unten., aktuell Neue Linkswende. Monatszeitung für Sozialismus von unten. – zur Analyse herangezogen. Anfänglich wurden ca. 20 verschiedene Texte pro Organisation als Stichprobe herangezogen, die die Thematiken Israel und seine Rolle im Nahostkonflikt, Antiimperialismus und Antikapitalismus behandeln. Aufgrund des beschränkten Umfangs dieser Arbeit können allerdings nicht alle Aussagen in Form von Zitaten wiedergegeben werden. Daher wurden diese zunächst paraphrasiert und in Folge generalisiert und es wurden bloß vereinzelte, auch für Laien eindeutig
nachvollziehbare Zitate zur Unterstreichung dieser Inhalte heran gezogen, welche nach einer Reduktion der Aussagen durch Selektion die wesentlichen Inhalte sowie ein „Abbild des Grundmaterials“ (Mayring 2002: 115.) darstellen sollen. Anschließend wurden die Aussagen in Form von Zitaten zu Kategorien induktiv zusammengefasst. Die Kategorien, die im Rahmen dieser Analyse generiert werden, werden sich teils in Form von thematisch wie inhaltlich differenzierten Kapiteln dieser Arbeit wieder finden.

2.6. Empirischer Teil – Analyse: Antizionismus und Antisemitismus bei RKOB und (Neue) Linkswende?

Schnell wird bei der Betrachtung der Hintergrundbilder auf der Website der RKOB ersichtlich, dass die antizionistische Haltung und der „Kampf für ein freies, rotes Palästina“ (RKOB – Nordafrika und arabischer Raum o.J.) einen sehr hohen Stellenwert in der Programmatik der RKOB einnehmen: Beinahe alle dieser Bilder portraitieren AktivistInnen, welche Palästinafahnen schwenken, antiisraelische Schilder halten oder Kufiyas tragen. Die Kufiya wird bereits seit den 1920er und 1930er Jahren als palästinensisches Nationalsymbol propagiert und findet vor allem im Nahen Osten, aber auch innerhalb der europäischen und US-amerikanischen Linken als
Solidaritätsbekundung mit der palästinensischen Nationalbewegung Verwendung.5 In der Rubrik ‚International‘, welche nach geografischen Regionen unterteilt ist, finden sich 25 Texte, die sich ausschließlich dem Thema Israel – welches wiederholt ‚Palästina‘ oder ‚besetztes Palästina‘ genannt wird – widmen. Keinem anderen Staat werden so viele Aufrufe und Artikel gewidmet und kein anderes Land wird insgesamt auf der Website so oft kritisiert wie Israel, auch in anderen Rubriken. Auffällig ist außerdem, dass in der Rubrik ‚Kunst und Kultur‘ Zeichnungen von Carlos Latuff abgebildet werden, dessen Karikaturen u.a. vom Simon Wiesenthal Center als antisemitisch eingestuft wurden (Simon Wiesenthal Center o.J: 2.) (RKOB – Kunst und Kultur o.J.).

Die Website der (Neuen) Linkswende verfügte und verfügt – damals wie heute – über eine eigene Kategorie, die ‚Nahost-Konflikt‘ bzw. ‚Naher Osten‘ betitelt wurde und wird. Derzeit ist die Rubrik Teil der Sparte ‚Internationales‘, vor der Änderung der Homepage allerdings bestand keine solche Subsumierung. Die damaligen Sparten beliefen sich auf ‚Bildung‘, ‚Soziales‘, ‚Rassismus‘, ‚Krieg‘, ‚Nahost-Konflikt‘, ‚Theorie‘ und ‚alle Themen‘. Hinsichtlich der Zeitung der (Neuen) Linkswende lässt sich konstatieren, dass ca. jede 3. Ausgabe einen Artikel zu Israel und Zionismus enthält. Dies zeigt, dass auch hier Israel, dem viele Artikel gewidmet wurden, eine Sonderstellung einnimmt – wenngleich dies auf ihrer Homepage weniger eindeutig und offensichtlich geschieht, als es auf der
Website der RKOB der Fall ist (Linkswende – Thema Nahost-Konflikt o.J.) (Neue Linkswende – Tag Naher Osten o.J.).

Im Hinblick auf Natan Sharanskis 3-D-Analyse lässt sich deshalb konstatieren, dass antisemitische Doppelstandards, vor allem durch die RKOB, an Israel angewandt werden, da kein anderer Staat aufgrund von tatsächlichen oder angeblichen Menschenrechtsverletzungen in auch nur annähernd ähnlichem Maße kritisiert wird.

2.6.1. Antiimperialismus, Befreiungsnationalismus und das Existenzrecht Israels
Bereits zum wiederholten Male bezichtigt die RKOB Israel und die USA, welche Israel immer wieder zur Seite stehen und als „imperialistische Großmacht“ (RCIT 2013) bezeichnet werden, des Imperialismus, wenn sie schreibt: „[…] den imperialistischen Apartheidsstaat Israel, der das palästinensische Volk seit 1948 unterdrückt und von seinem Land vertreibt […]“ (RCIT 2014). Die (Neue) Linkswende spricht dafür von der Zweiten Intifada als „Bewegung von unten gegen den Imperialismus“ (Veit 2002: 4.). Dieses antiimperialistische Weltbild der RKOB und (Neuen) Linkswende, angelehnt an den klassischen Marxismus-Leninismus, unterteilt die Welt manichäisch in ‚gute‘ und ‚böse‘ Kräfte. Hierbei werden „die vermeintlich „guten“, „ursprünglichen“ autochthonen Völker/Gemeinschaften einer „künstlichen“ Fremdherrschaft kapitalistischer und
imperialistischer Mächte oder „Agenten““ (Rensmann 2007: 167.) entgegengesetzt. Zu ersteren zählen vor allem die diversen befreiungsnationalistischen Bewegungen – primär der Dritten Welt – zu letzteren vor allem Israel und die USA. Sie werden als neue Kolonialmächte verstanden, deren Existenz – im Gegensatz zu anderen, ‚organisch gewordenen‘ Staaten – auf der Unterdrückung und Diskriminierung anderer beruht, Fremdkörper darstellen und somit keinerlei Existenzberechtigung haben. So schreibt – neben der Bezeichnung Israels als „Siedlerstaat“ (Ecker 2013: 3.) – die Nationalismus bloß teils verurteilende (Neue) Linkswende: „Ein weiteres Symptom des Kapitalismus, ein weiterer ideologischer Motor hinter Krieg und Eroberung, ist der Nationalismus. Gemeint ist hier der Nationalismus der ökonomisch und militärisch überlegenen
imperialistischen Mächte. Der Nationalismus unterdrückter Völker kann hingegen sehr fortschrittliche Aspekte haben“ (Allahyari 2015).

Bei Betrachtung der Texte der RKOB lässt sich feststellen, dass sich in den Solidaritätsbekundungen mit den nationalen Befreiungsbewegungen und der Bevölkerung der Dritten Welt die Hoffnung auf einen sozialistischen Staat ausdrückt, da stets von einem „freien, roten Palästina“ (RCIT 2014) geschrieben wird und sich die Aufrufe in erster Linie an ArbeiterInnen richten sollen. Die RKOB räumt allen Ethnien das Recht auf nationale Selbstbestimmung ein bzw. unterstützt dieses im Sinne eines sogenannten ‚Befreiungsnationalismus‘ aktiv. Dasselbe gilt aber nicht für Israel bzw. Juden und Jüdinnen: „Unsere GenossInnen in Israel/Palästina haben daher immer wieder darauf hingewiesen, daß das nationale Selbstbestimmungsrecht nur auf das palästinensische Volk, nicht jedoch auf die israelischen Juden angewandt werden kann“. „Es ist unmöglich, die Forderung nach Selbstbestimmung für die Palästinenser und für die Israelis gleichzusetzen. Der palästinensische Kampf für die nationale Befreiung ist ein anti-imperialistischer Kampf, während die Unterstützung für Israel und das Recht auf Selbstbestimmung für Israelis eine Verteidigung des Imperialismus darstellt“ (13).
„Wir haben wiederholt dargelegt, warum MarxistInnen das nationale Selbstbestimmungsrecht für israelische Juden nicht unterstützen dürfen. Im Unterschied zu anderen Nationalstaaten ist Israel ein Siedlerstaat. Und zwar ein Siedlerstaat, der nicht vor langer Zeit in der Epoche des aufstrebenden Kapitalismus entstanden ist
(wie z.B. die USA oder Australien), sondern der erst in der jüngsten Vergangenheit – in der imperialistischen Epoche des kapitalistischen Niedergangs – gegründet wurde“ (Pröbsting 2014).

Israel habe bereits demnach keinerlei Existenzberechtigung. Dies wird jedoch von der RKOB noch deutlicher und offensichtlicher ausformuliert, wenn sie sich selbst als „anti-zionistische AktivistInnen […], die für die Abschaffung des Staates Israel […] eintreten“ (Ebd.) bezeichnen und „zu einem bewaffneten Aufstand der Palästinenserinnen und Palästinensern – einer Dritten Intifada“ (Gunic 2014) aufrufen. Der Terminus ‚Intifada‘ bedeutet übersetzt ‚abschütteln‘ – gemeint ist damit der von PalästinenserInnen als Besatzung angesehene israelische Staat. Historisch gesehen war die Erste Intifada ein teils friedlicher und demokratischer, teils gewaltsamer Aufstand, bei dem Steine
und Molotov-Cocktails als Waffen gegen das israelische Militär sowie ZivilistInnen eingesetzt wurden. Die Zweite Intifada, welche z.B. durch die Teilnahme der Hamas viel stärker islamistisch als befreiungsnationalistisch geprägt war, kann als primär bewaffneter Aufstand der PalästinenserInnen gegen Israel verstanden werden, wobei auch hier nicht ausschließlich Polizei und Sicherheitspersonal als Ziele dienten, sondern auch vermehrt ZivilistInnen bei Selbstmordattentaten getötet wurden. Mittlerweile ist der Begriff ‚Intifada‘ synonym mit der gewaltsamen Zerschlagung des israelischen Staates.6 Auf einem Flugblatt der (Neuen) Linkswende, das die Zweite Intifada thematisierte, steht zu lesen: „Die palästinensischen Menschen haben sich gegen alle Fronten mutig zur Wehr gesetzt, ihre Intifadas – die Massenaufstände – verdienen unsere volle Solidarität.“ (Linkswende – Hintergrund Nahostkonflikt o.J.) und in der Zeitschrift wurde geschrieben: „Zeit ist reif für eine dritte Intifada!“ (Reisinger 2015: 26.).

Laut Sharanskis 3-D-Analyse kann aufgrund der offensichtlichen Delegitimierung Israels in Form der Ablehnung der Anerkennung der Existenz dieses Staates die RKOB als eindeutig antisemitisch eingestuft werden. Subtiler, aber dennoch antisemitisch, ist auch die Proklamation der (Neuen) Linkswende zu lesen. Auch Margit Reiter stellt fest: „Als sicher gilt jedoch, daß mit der Radikalität des Antizionismus auch die Wahrscheinlichkeit eines […] Antisemitismus steigt: Je unerbittlicher und undifferenzierter die Kritik an Israel, desto radikaler auch die Forderungen und desto größer die Gleichgültigkeit gegenüber den Konsequenzen eben dieser Forderungen. Kein/e linke/r AntizionistIn hat je direkt die Vernichtung Israels und der dort lebenden Juden und Jüdinnen gefordert, nichtsdestotrotz könnten manche ihrer radikalen Parolen letztendlich auf dieses Ziel hinauslaufen; etwa wenn man im Falle eines Krieges bedingungslos für die arabische Seite Partei nimmt und deren militärischen Sieg herbeiwünscht, wenn man die Existenzberechtigung Israels explizit in Frage stellt oder die „Zerstörung“ des Staates Israels propagiert […] (Reiter 2001: 344.).

2.6.2. Antirassismus und Apartheid
Des weiteren werden rassistische Mechanismen bedient, nach welchen Ethnien homogenisiert werden, wenn davon ausgegangen wird, „dass jedes „Volk“ ein allen seinen Mitgliedern gemeinsames „nationales Interesse“ habe und bestimmte berufene „Führer“ diesen „Willen des Volkes“ geradezu ideal verkörperten und verwirklichten“ (Haury 2007: 290.), wie dies beim sowohl Befreiungsnationalismus hinsichtlich der als ‚unterdrückt‘ angesehenen ‚Völker‘ und z.B. der Verharmlosung der Aktionen der Hamas als auch bezüglich der Juden und Jüdinnen und deren Gleichsetzung mit Israel der Fall ist. Dies wird deutlich, wenn von der RKOB eine Distanzierung der israelischen Bevölkerung von ihrer Regierung gefordert wird: „Es kommt auch nicht von Ungefähr, dass die Apartheidstaaten Israel und Südafrika in der Vergangenheit sehr eng miteinander zusammengearbeitet haben (z.B. bei der Entwicklung der Atombombe). Die israelischen Arbeiter und Arbeiterinnen müssen mit diesem Unrecht aufräumen und dem palästinensischen Volk beweisen, dass sie nichts mit „ihren“ Herren gemein haben“ (Wiener – Antinationale o.J.). In demselben Text heißt es weiters: „Das Wort Apartheid kommt aus der südafrikanischen Afrikaans Sprache und bedeutet an sich „Getrenntheit“,
mit ihr wurde die durch den Staat unterstützte und vorangetriebene Trennung der Rassen bezeichnet. Der Staat Israel ist nicht ein „normaler“ kapitalistischer Staat in dem die Klasse der Unternehmer mittels des bürgerlichen Staats über die ArbeiterInnenklasse und andere unterdrückte Klassen herrscht. Beim Staat Israel kommt hinzu, dass er auf der Vertreibung der gesamten einheimischen arabischen Bevölkerung beruht. Zusätzlich gibt es im Staat Israel eine massive Unterdrückung der arabischen Minderheitsbevölkerung, die eine „Rassentrennung“ darstellt. Deshalb bezeichnen wir und alle anderen fortschrittlichen, konsequent-antizionistischen Kräfte den
Staat Israel als Apartheidstaat“ (Ebd.).

Auch die (Neue) Linkswende bezeichnet die israelische Politik als „Apartheid und
Besatzungspolitik“ (Ecker 2011: 3.) bzw. als „Apartheidspolitik“ (Maunder 2012: 11.) und schreibt des weiteren von einem „Grundproblem, nämlich dass Israel von einer rassistischen Ideologie beherrscht wird. […] Es ist aber genau diese Staats-Ideologie [sic!], die, unter tatkräftiger Unterstützung der USA, eine friedliche, gerechte Lösung verhindert“ (Allahyari 2011: 11.).

Da zum einen in Israel keine ‚Trennung der Rassen‘ in demselben oder ähnlichem Ausmaß wie in der südafrikanischen Apartheid gegeben ist und zum anderen eben jene verharmlost wird, lässt sich hinsichtlich Natan Sharanskis 3-D-Analyse feststellen, dass hier „Israels Handeln ohne jedes Maß“ (Israelkompetenzkollektion 2013) und ohne eine adäquate Verhältnismäßigkeit rezipiert wird und daher von Antisemitismus zu sprechen ist. Des weiteren fällt bei der Betrachtung der Texte der Websites der RKOB und (Neuen) Linkswende und der Monatszeitung der letzteren auf, dass die mangelhafte Solidarität in Form der Versorgung von und der Schaffung einer Infrastruktur für palästinensische Geflüchtete in den umliegenden Staaten mit keiner einzigen Silbe erwähnt wird.
Demnach ist Margit Reiter zuzustimmen, wenn sie argumentiert, dass die Vorwürfe der Apartheid und des Rassismus an Israel und den Zionismus „keineswegs immer aus einem Gefühl der Solidarität mit den Palästinensern oder aus dem Streben nach Frieden im Nahen Osten resultierte“ (Reiter 2001: 312.), sondern aus dem Bedürfnis, die nationalsozialistische Vergangenheit der Bevölkerung Österreichs zu trivialisieren oder relativieren.

2.6.3. Relativierung und Trivialisierung der Shoah und Opfer-Täter-Umkehr
Immer wieder stößt eins auf Texte der RKOB, die die Shoah verharmlosen oder umdeuten. Dies geschieht auf unterschiedlichste Weise, z.B. dadurch, dass die industrielle Ermordung von ca. 6 Millionen Juden und Jüdinnen zum ‚Nebeneffekt‘ des Nationalsozialismus stilisiert wird, wenn es heißt: „Es ist zwar unter bürgerlichen „Wissenschaftlern“ und in ihren Geschichtsbüchern sehr beliebt, den
Nationalsozialismus auf die Judenverfolgung zu reduzieren. Damit wird das aber noch lange nicht zur Wahrheit. Lassen wir beiseite, dass der (deutsche) Faschismus in allererster Linie zur Zerschlagung der Organisationen der ArbeiterInnenklasse vom Großkapital an die Macht gehievt wurde, so waren die Juden keineswegs das einzige
Volk, das der deutsche Faschismus vernichten wollte (Wiener – Antinationale o.J.)“.

Die Auseinandersetzung um die Einzigartigkeit des Holocaust ist eine, die immer noch nicht gelöst wurde und die auch seit dem berühmten Historikerstreit sowohl im linksradikalen als auch akademischen Diskurs immer wieder neu aufflammt. Eine weitere Art, welcher sich die RKOB bedient um die Shoah zu trivialisieren und zu relativieren, ist, deren Einzigartigkeit abzustreiten und unter dem Terminus und der Funktionsweise des Imperialismus zu subsumieren, indem sie schreibt: „Wir Marxisten und Marxistinnen sehen die Shoah nicht als von anderen Verbrechen des Imperialismus getrennt an, sondern vielmehr als seine schlimmste Konsequenz. Die Ursache der Shoa ist nicht in der Bösartigkeit „des deutschen Volkes“ oder „der Volksgemeinschaft“ zu suchen. Die Ursache liegt nicht in einem unerklärlichen Hass gegen Jüdinnen und Juden, sondern im System des Imperialismus (der letzten Epoche des jetzigen Klassensystems), das dazu neigt kleinere, schwächere Völker, die für ihre Befreiung kämpfen, oder seinen
Zielen im Weg stehen ganz oder teilweise zu vernichten (z.B. Juden, Jüdinnen, Roma, Sinti, Armenier, Tutsi, Herero, Nama, Palästinenser, Tschetschenen, Kurden, Vietnamesen, Tamilen, Bosnier, Aborigines, Bubi, Uiguren,…). Ebenso wie es im Wesen vergangener Klassensysteme lag, die Vernichtung von Minderheiten durchzuführen. Die besonders rasche Vernichtung der Jüdinnen und Juden während der Shoah entspricht der Weiterentwicklung der Unterdrückungsmittel im Imperialismus“ (Ebd.).

Doch nicht nur wird hier bloß der Shoah die Einzigartigkeit abgesprochen, sondern sich auch anderer trivialisierender Mechanismen bedient, wenn betont wird, dass ein antisemitisches Ressentiment nicht der Grund für die Ermordung von Juden und Jüdinnen gewesen sei bzw. wenn die Verwendung der Bezeichnung ‚Antisemitismus‘ umgangen wird. Durch die Betonung der Unschuld der deutschen Zivilgesellschaft und aufgrund des Mangels der Erwähnung des massenhaften Antisemitismus und der in Österreich überproportionalen Täterschaft wird eindeutig, dass es sich hierbei um den Versuch handelt, das Bedürfnis nach Schuldabwehr zu stillen, aus dem sich der ’sekundäre Antisemitismus‘ nach bzw. trotz Auschwitz speist. Die Nicht-Erwähnung Österreichs bedient des weiteren die sogenannte ‚Opferthese‘, welche mit Verweis auf
die Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 angibt, dass Österreich „das erste freie Land, das der Hitlerischen Aggression zum Opfer gefallen ist“ und der ‚Anschluss‘ 1938 eine Okkupation Österreichs gewesen sei.5

Der Terminus ‚Antisemitismus‘ wird sowohl von der RKOB als auch der (Neuen) Linkswende selten verwendet, da Juden und Jüdinnen im Nationalsozialismus genauso Opfer des Rassismus wie Roma und Sinti gewesen wären. Sinnvoll wäre es allerdings, Antisemitismus von Antiziganismus und Rassismus zu trennen, da beim Antisemitismus – im Unterschied zum Rassismus – a) Juden und Jüdinnen als FeindInnen innerhalb der Gesellschaft und nicht als Bedrohung von außen wahrgenommen werden und b) Juden und Jüdinnen mittlerweile nicht als ‚minderwertig‘ angesehen werden, sondern ausschließlich als ‚mächtig‘. Auch Thomas Haury schreibt dazu: „In der Literatur findet sich häufig die Auffassung, die Rassebiologie stelle ein zentrales Kennzeichen des
modernen Antisemitismus dar; […] Die Behauptung einer wesenhaften Differenz zum „Juden“, die Personifizierung gesellschaftlicher Prozesse, eschatologisch-manichäische Konstruktionen sowie damit korrespondierende Vertreibungs- und Vernichtungsphantasien finden sich schon lange vor der explizit biologistisch-rassistischen Ausformulierung des modernen Antisemitismus“ (Haury 2002:116.).

Die Subsumierung von Antisemitismus unter den Begriff des ‚Rassismus‘ sowie die Verharmlosung der Ermordung von Juden und Jüdinnen stellt sich wie folgt dar:
„Der Vernichtungspolitik der Nazis fielen auf der einen Seite ihre politischen Gegner und Gegnerinnen, Angehörige der Roten Armee, Kommunisten, Kommunistinnen, Sozialdemokraten, Sozialdemokratinnen sowie Menschen die den Krieg und die Vernichtungspolitik der Nazis ablehnten, zum Opfer. Auf der anderen Seite
verfolgten die Nazis aber auch Menschen nach rassistischen Gesichtspunkten, so zum Beispiel, Juden, Jüdinnen, Roma, Sinti, Slawen, Slawinnen, Homosexuelle, behinderte Menschen, psychisch Kranke, Alkoholiker, usw.“ (Wiener – 2. WK o.J.). „All die verschiedenen Arten der Beherrschung vereinigten sich in Auschwitz – Rassismus, der sich gegen Juden, Slawen und Roma richtete; die wirtschaftliche Ausbeutung von Sklavenarbeit; die Unterdrückung von Homosexuellen und Frauen; die Verfolgung von abweichenden Minderheiten wie Kommunisten und Zeugen Jehovas“ (Neue Linkswende – Ausloten der Abgründe o.J.).

Eine weitere Methode um dem psychologischen Bedürfnis der Schuldabwehr nachzukommen und sowohl Israel als auch den Zionismus an sich zu dämonisieren, war die bereits seit der Gründung Israels vorgebrachte Opfer-Täter-Umkehr, die sich z.B. anhand die Instrumentalisierung der „Zusammenarbeit von zionistischen und nationalsozialistischen Organisationen im Rahmen der Emigration von Juden und Jüdinnen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme“ aufzeigen lässt (Reiter 2001: 232.). Tatsächlich ergaben sich Zweckbündnisse zwischen den NationalsozialistInnen und Juden und Jüdinnen, da beide dasselbe, oben bereits erwähnte, Ziel verfolgten, wobei es Juden und Jüdinnen um das Retten jüdischer Leben, den NationalsozialistInnen allerdings diametral entgegen gesetzt um die Vertreibung derselben aus Europa ging. Das Faktum, dass der Zionismus die Gründung des Staates Israel als eine Überlebensnotwendigkeit für Juden und Jüdinnen ansah, wird allerdings völlig ausgeblendet, wenn die RKOB schreibt: „Die Zionisten arbeiteten also mit verschiedenen rückschrittlichen (auch antisemitischen Kräften) zusammen, um ihrem Ziel [gemeint ist die Staatsgründung Israels, T.S.] näher zu kommen“ (Wiener – Antinationale o.J.). Auch die (Neue) Linkswende gibt an: „Das zeigt, dass das Nachkriegsimage Israels als Retter der Jüdinnen und Juden höchst löchrig ist, und dass die Zusammenarbeit zwischen ZionistInnen und Nazis nicht aus humanitären Gründen, um möglichst viele jüdische Menschen retten zu können passierte, sondern alleine aus zionistischem Eigennutz“ (Linkswende 2000/2001: 3.). Noch eindeutiger tritt die Sehnsucht nach der Entlastung der Schuld und, damit einhergehend, der Verantwortung bezüglich der nationalsozialistischen Vergangenheit zutage, wenn jüdische Israelis
oder Juden und Jüdinnen an sich mit NationalsozialistInnen verglichen werden, wie es hier die RKOB anstrebt: „Eli Yishai – der israelische Innenminister und stellvertretenden
Ministerpräsidenten. Er bezeichnete den deutschen Schriftsteller [Günter Grass, T.S.] als „Nazi“ und erklärte ihn zur unerwünschten Person. Yishai ist natürlich Experte in solchen Fragen“ (Pröbsting o.J.).

Laut Natan Sharanskis 3-D-Analyse handelt es sich also um Antisemitismus, da die Handlungen von Israel und Zionist_innen von RKOB und der (Neuen) Linkswende erneut ohne Verhältnismäßigkeit dargestellt werden und die RKOB Vergleiche der Handlungen von israelischen Regierungsmitgliedern mit denen von NationalsozialistInnen zieht.

2.6.4. Antikapitalismus, Antiamerikanismus und Verschwörungstheorien
Eine weitere Spielart des Antisemitismus ist der sogenannte ’strukturelle Antisemitismus‘, der sich durch eine ‚verkürzte Kapitalismuskritik‘ ausdrückt, welche – basierend auf der bereits oben erwähnten eschatologisch-manichäischen Einteilung der Welt in ‚Gut‘ und ‚Böse‘ – a) eine Unterscheidung zwischen dem als ‚ausbeuterisch‘ angesehenen ‚raffenden‘ und und dem als ‚produktiv‘ verstandenen ’schaffenden‘ Kapital und b) eine Personifizierung des Kapitalismus, z.B. in Form von Ausdrücken wie ‚den Bossen‘, vornimmt. In Folge dieser Auffassung der kapitalistischen Produktionsweise drängen sich antisemitische Stereotype auf, beispielsweise die des ‚jüdischen Finanzkapitals‘, welche bereits von NationalsozialstInnen bedient wurden und
oftmals ebenfalls in Antiamerikanismus oder antisemitischen Verschwörungstheorien mündet, wie auch Rensmann beschreibt: „Dabei verschmelzen in jüngerer Zeit erneut historisch und ideologiestrukturell verwandte antiamerikanische, israelfeindliche und antisemitische (Feind-)Bilder“ (Rensmann 2007: 174.). Denn der antisemitische Gehalt des Antiamerikanismus, der sich aus der imaginierten Vermischung von jüdischer und amerikanischer Kultur speist, existiert bereits seit dem Ende des Ersten Weltkrieg, als „die Vorstellungen von einer „jüdischen Wall Street“, „jüdischem Hollywood“, „jüdischem Jazz“ und eines tief jüdischen Amerika zu Allgemeinplätzen machte“ (Markovits 2007: 240.). Die ‚verkürzte Kapitalismuskritik‘ ist bereits dem traditionellen Marxismus-Leninismus immanent, da auch Lenin bereits der Ansicht war, dass die Welt aus den Werktätigen und den AusbeuterInnen bestünde. Auch Haury meint dazu:
„Die ganze Welt sei geprägt von der Polarität zweier wesenhaft gegensätzlicher Prinzipien, verkörpert in zwei antagonistischen gesellschaftlichen Klassen. Auf der einen Seite stünde „die Bourgeoisie“ (das Kapital, der Imperialismus), verantwortlich für die Ausbeutung, Krieg und Unterdrückung, auf der anderen Seite „das Proletariat“ (das werktätige Volk, das „Volk“), das „seiner Natur nach sozialistisch ist“ (…). (…) Alle
gesellschaftlichen Phänomene werden auf dieses binäre Schema reduziert. Alles erschöpfe sich in seiner Klassenfunktionen, könne nur entweder bürgerlich-reaktionär oder proletarisch-revolutionär sein“ (Haury 2002: 231.).

Dies zeigt sich bei der RKOB, wenn sie den Kapitalismus wie folgt erklärt: „Ein politisches Wirtschaftssystem, in dem Unternehmen (Fabriken, Supermärkte, usw.) in Privatbesitz von Einzelpersonen sind. Diese Personen verfügen über alle Mittel der Produktion (Hallen, Arbeitsgeräte, Arbeitskräfte etc.) und arbeiten um Profit zu machen. Wir nennen sie Kapitalisten, Bürgerliche oder auf französisch Bourgeoise („Bur-Schoa-Sie“), Unternehmer, Bosse. Sie bekommen Geld dafür, dass andere für sie arbeiten. Sie verdienen Geld an fremder Arbeit, ohne mitzuarbeiten. Im Gegensatz dazu steht die Mehrheit „ihrer“ Arbeitskräfte. Diese besitzen nichts von den genannten Mitteln der Produktion, haben nur ihre eigene Arbeitskraft am Arbeitsmarkt anzubieten. Sie erhalten einen Lohn bzw. Gehalt, der unter dem Wert liegt von dem was sie produzieren und werden Arbeiter bzw. Angestellte genannt. Wir nennen sie ArbeiterInnen oder
ProletarierInnen“ (Herzen o.J.).

Und auch die (Neue) Linkswende macht PolitikerInnen und Mitglieder der Oberschicht vielfältig für jegliches mögliche ökonomische Unheil verantwortlich, wenn sie schreibt: „Wenn bei uns Arbeitsplätze verloren gehen und öffentliche Leistungen zurückgefahren werden, dann ist das nicht die Schuld von Migrant_innen, sondern die der Bosse und der Eliten. Gegen sie sollte sich der Zorn auch richten“ (Allahyari 2015) und 2009 ein Bild veröffentlicht, in dem sowohl eine Personifizierung des Kapitalismus in Form von Schweinen, welche Firmen wie General Motors oder Banken wie Freddie Mac und Fannie Mae darstellen sollen, als auch die Darstellung eines Antagonismus zwischen den steuerzahlenden ArbeiterInnen und den ‚ausbeuterischen KapitalistInnen‘ vorgenommen wird (Litschauer 2009). Zur Darstellung von Schweinen schreibt Johannes Valentin Schwarz: „In Bezug auf antisemitische Darstellungen kommt dem Schwein besondere Bedeutung zu, zumal es nach jüdischem Religionsgesetz als rituell unrein gilt und sich so besonders zur Diffamierung eignet. Das verbreiteteMotiv der „Judensau“ gehört bereits seit dem Mittelalter zum „klassischen“ Repertoire judenfeindlicher Stereotype“ (Schwarz 2005: 3.).

Zwar findet sich in den von RKOB und (Neuer Linkswende) publizierten Texten keinerlei
Gleichsetzung der Zirkulationssphäre oder der Firmen und Banken mit Juden und Jüdinnen, allerdings kann aufgrund der auf antisemitischen Mechanismen aufbauenden Personifizierung des Kapitalismus diesbezüglich zumindest von ’strukturellem Antisemitismus‘ gesprochen werden. Anders verhalten sich die Organisationen gegenüber den USA: Diese werden stets mit Kapitalismus und Imperialismus identifiziert, wobei auch die Vereinigten Staaten aufgrund des manichäischen
und antisemitischen Weltbild – ähnlich den Juden und Jüdinnen – mit Finanzkapital, Moderne und Intellektualität verknüpft werden und „Antiamerikanismus und Antisemitismus in ihren Feindbildern (Geld, Zins, Börse)“ (Schwaabe 2007: 226.) verschmelzen, in Folge dessen es zu einer Externalisierung und Exterritorialisierung der negativen Folgen des Kapitalismus und ihrer Reterritorialisierung in den USA kommt, d.h. dass Amerika als militärische und ökonomische ‚Supermacht‘ für all das Übel, das weltweit und die gesamte Gesellschaft umspannend durch den Kapitalismus entsteht, verantwortlich gemacht und den USA ein ’nationaler Charakter‘ zugeschrieben wird. Im Antiamerikanismus drückt sich außerdem ein Schuldabwehrmechanismus aus, wenn die Rollen und Interessen von europäischen und nationalen ökonomischen und
politischen Playern sowie deren Policies tabuisiert bzw. verharmlost werden. So schrieb die RKOB über die terroristisch-islamistischen Anschläge vom 11.9.2001 auf das World Trade Center und das Pentagon: „Der Angriff ist eine Folge der Taten der USA selbst, die Hass und Empörung bei Millionen Menschen hervorgerufen haben. Deswegen, weil die USA die Welt beherrschen, Millionen Menschen zu einem Leben in Armut und Schulden verdammen und sich hinter unterdrückerische Regimes und die Verletzung von nationalen, demokratischen und Menschenrechten stellen“ (RKOB 2001).
Außerdem wird an die Vereinigten Staaten immer wieder der Vorwurf des Bellizismus erhoben, beispielsweise wenn eins liest: „Nicht jeder Mensch auf dieser Welt begegnete diesen Ereignissen mit Ablehnung. Jene, die unter den Auswirkungen der US-amerikanischen Cruise-Missile-Angriffe auf Bagdad oder Belgrad gelitten haben oder
ihnen beiwohnen mussten, oder jene Familien der 700 oder mehr Palästinenser, die mit aus den USA geliefertenWaffen einschließlich der Apache- Kampfhubschrauber getötet wurden, waren verständlicherweise erfreut darüber, dass die einzige Supermacht der Welt nicht unverwundbar ist. (Ebd.) Nicht nur werden abschließend ‚verkürzte Kapitalismuskritik‘, ergo ’struktureller Antisemitismus‘, und Antiimperialismus argumentativ verknüpft, sondern auch die USA und Israel, wenn die RKOB
weiterführend schreibt: „Sie sehen im World Trade Centre ein Symbol des Finanzkapitals und eine Einrichtung der Eliten, die die weltweiten Ressourcen ausplündern. Das Pentagon ist für sie die Kommandozentrale für den laufenden Krieg der USA gegen den Irak, Afghanistan und zur militärischen Unterstützung Israels. Je nach dem, wer den
Anschlag auf das Pentagon durchgeführt hat, könnte das Pentagon tatsächlich ein legitimes Ziel für die Kräfte im Kampf gegen US-Angriffe sein“ (Ebd.).

Insgesamt kann angemerkt werden, dass die terroristischen Akte der Al Qaida verharmlost und im Sinne der antisemitischen Opfer-Täter-Umkehr umgedeutet werden. Die Organisation Al Qaida wird hier – gleichsam wie die Hamas8 – als Kämpferin gegen den ‚westlichen‘ Imperialismus und Kapitalismus und in Form der Staaten Israels und ihren UnterstützerInnen, den USA, angesehen. Auch hier drückt sich die Hoffnung auf den Sozialismus aus, welche erneut auf die befreiungsnationalistischen Bewegungen der sogenannten ‚Dritten Welt‘ projiziert wird und in der Verharmlosung von islamistisch-autoritären Staaten und islamistisch-terroristischen Akten sowie arabischem Antisemitismus endet. Diese repräsentieren dem antiimperialistischen Weltbild nach den ‚Willen des unterdrückten, ausgebeuteten und revolutionären Volkes‘ im Gegensatz zu einigen wenigen reaktionären und kapitalistischen ‚Bossen‘ und ‚Eliten‘. „Um zu erklären, wie diese relativ kleine Gruppe von Finanzkapitalisten, Politikern und Ideologen es vermochte, sowohl ihr eigenes Volk als auch die „Völker“ in der Dritten Welt auszubeuten und zu unterdrücken und über die halbe Welt zu herrschen, wurde immer wieder zu Motiv der Verschwörung gegriffen. […] Obwohl „Juden“ im antiimperialistischen Weltbild gar nicht auftauchten, weist dieses in seinen grundsätzlichen Denkstrukturen trotzdem deutliche Verbindungen zum Antisemitismus auf: Die antiimperialistische Weltdeutung ist geprägt von einem alles durchziehenden Manichäismus, von Nationalismus und von verschwörungstheoretischem Denken.
In ihm stehen weltweit „die Völker“ in einem (Abwehr-)Kampf gegen den „Weltimperialismus“ bzw. gegen das internationale „Finanzkapital“ (Haury 2007: 290.).
Die USA und Israel, deren PolitikerInnen, Konzerne, Bankiers und – dieser Argumentationslinie bis zum Ende folgend – Juden und Jüdinnen repräsentieren demnach die ‚AusbeuterInnen‘ und ‚KapitalistInnen‘, welche die gesamte restliche Menschheit mittels ihrer Lobbys, klandestinen Treffen sowie ihrer Verfügungsgewalt über die Medien beherrschen. So schreibt die (Neue Linkswende): „Drittens ist die ständige Propaganda der Herrschenden ein Faktor“ (Allahyari 2015). Auch die RKOB klagt immer wieder diverse politische sowie ökonomische Institutionen der
Verschwörung gegen die ArbeiterInnenklasse an, wenn sie schreibt: „Hier verkörpert der
Nationalismus ausschließlich den Versuch der rückschrittlich-bürgerlichen Kräfte, die „Nationale Einheit“ zur Anpreisung des Nationalismus und der Verwischung der Klassenlinien auszunützen“ (Wiener – Antinationale o.J.). Aber auch dem Antisemitismus selbst kommt dieser Auffassung nach ein verschwörerisches Moment zu, wenn die RKOB schreibt: „Um die revolutionäre ArbeiterInnenbewegung zu spalten setzten die bürgerlichen Parteien das ideologische Gift des Antisemitismus (Judenhass) ein“ (Wiener – Antinationale o.J.) und damit Antisemitismus sowie das Leid der jüdischen Betroffenen verharmlost. Wer ihrer Ansicht nach hinter zumindest einigen der Verschwörungen steckt, wird hier klar: „Die Verleumdung des marxistischen Antizionismus als
„antisemitisch“ ist eine der widerwärtigen ideologischen Waffen des israelischen Staates sowie der mit ihm engstes [sic!] verbündeten imperialistischen Mächte in Westeuropa und Nordamerika“ (Pröbsting 2014).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die (Neue) Linkswende in ihrer Argumentation eindeutige Elemente des ’strukturellen Antisemitismus‘ aufweist, während die RKOB sich offen antisemitisch ausdrückt, wenn sie Antisemitismusvorwürfe basierend auf einer Verschwörungstheorie zurück weist. Zu verkürzter Kapitalismuskritik und Verschwörungstheorien meint auch Claussen:
„Sie [Juden und Jüdinnen, T.S.] personifizieren Geld, aus dem Stoff falscher Erinnerung an die Juden als einzige Zirkulationsagenten entsteht das antisemitische Gesellschaftsbild einer scheinbar anonymen herrschenden Macht, hinter der sich angeblich die persönliche Herrschaft der Juden verbirgt“ (Detlev Claussen (1987): 83.).

2.6.5. „Kindermörder Israel“
In nur einer Ausgabe der Monatszeitung der (Neuen) Linkswende legt David Albrich zweimal den Fokus auf die Tatsache, dass auch Kinder im Rahmen des Nahostkonflikts zu Tode kommen (Albrich – Aggressor – 2014: 12.) (Albrich – eiserne Mauer – 2014: 13.). Die RKOB schreibt des weiteren: „Auch wurden in den vergangenen 14 Jahren mehr als 1400 Kinder, die Todeszahlen aus dem aktuellen Krieg nicht miteingeschlossen, in Palästina durch das israelische Militär umgebracht! (3) Es ist also alles andere als
eine Übertreibung davon zu sprechen, dass der Krieg gegen Gaza in besonderem Ausmaß ein Krieg gegen die palästinensischen Kinder ist. […] Es ist auch mehr als klar wer in Wirklichkeit Schuld an der Tötung der (verhältnismäßig sehr wenigen) Kindern
der israelischen Siedler trägt. Das Blut der Kinder dieser Siedler haftet nicht an den Händen der PalästinenserInnen, ja noch nicht einmal an denen der Hamas. Sie ist nicht mehr abwaschbar an den Händen ihrer eigenen Eltern zu finden, die für so etwas lange schon lange ihr Gespür dafür verloren haben. Immerhin waten sie durch das Meer des Blutes palästinensischer Kinder seit Beginn des israelischen Staates. Wer hat da
noch den Blick für die paar wenigen Tropfen ihrer eigenen Kinder an ihren eigenen Händen? „(Gunić 2014).

Sowohl durch das Emphasieren des Sterbens von Kindern als auch durch den Vorwurf des gezielten Mordes an Kindern wird – wenn auch in unterschiedlicher Stärke – das bereits seit dem 12. Jahrhundert, als in Norwich die Leiche eines christlichen Buben gefunden wurde, verbreitete christlich-antisemitische Stereotyp der ‚Ritualmord-Legende‘ bedient. Diese besagt, dass Juden und Jüdinnen „im Rahmen eines geheimen Rituals Christen – bevorzugt Kinder – ermorden, um an ihnen die Passion Christi
nachzuvollziehen, oder sie [Juden und Jüdinnen, T.S.] benötigten zur magischen Entsühnung am Pessach-Fest bzw. Jom Kippur regelmäßig „christliches Blut“, das aus diesem Anlaß – entgegen dem religiösen Verbot des Menschenopfers oder des Verzehrs von Blut – getrunken werde“ (Schwarz 2005: 9.). Dieser christliche Antisemitismus bediente sich auch den an Juden und Jüdinnen gerichteten Vorwürfen, des ‚Gottesmordes‘, der ‚Brunnenvergiftung‘ und der ‚Hostienschändung‘ und stieß in
ganz Europa und dem Osmanischen Reich auf eine weitere Ausbreitung. In arabisch-islamisch geprägten Ländern wird die ‚Ritualmord-Legende‘ bis in die Gegenwart immer wieder instrumentalisiert, wie sich z.B. an den auf auch in Österreich stattfindenden Demonstrationen für den Al-Quds-Tag skandierten „Kindermörder Israel“-Rufen aufzeigen lässt (wien.orf.at 2015). Laut Schwarz „erfuhr [die ‚Ritualmord-Legende‘, T.S.] jedoch im Kontext des Nahost-Konfliktes besonders von palästinensischer Seite eine spezifische Um- und Neubewertung: Regelmäßig werden in zahlreichen Karikaturen arabischer Zeitungen israelische Soldaten oder Regierungsmitglieder (bevorzugt Sharon)
dargestellt, wie sie sich nun – gleich ihren mittelalterlichen Vorfahren – auf die Suche nach palästinensischen Opfern (vornehmlich Kindern) machen, diese bestialisch ermorden und ihr Blut genüßlich trinken. Das Motiv des wehrlosen Kindes kann dabei generell als Paradigma für ein unschuldiges Opfer und damit für das gesamte
palästinensische Volk gelesen werden“ (Schwarz 2005: 9.).

Auch die (Neue) Linkswende, aber vor allem die RKOB, dämonisieren durch diese Vorwürfe allerdings nicht nur Israel, durch die Fokussierung auf Kinder wird vor allem die von Schwarz beschriebene ‚Unschuld‘ der palästinensischen Bevölkerung, welche stets als ‚passives Opfer‘ dargestellt wird, instrumentalisiert und somit auch in antisemitischer Manier eine Opfer-Täter-Umkehr vorgenommen. Außerdem wird auch hier, angelehnt an die 3-D-Analyse von Sharanski, Antisemitismus festgestellt, da erneut Israels Handeln ohne Verhältnismäßigkeit inszeniert wird.

3. Resümee
Zusammenfassend kann mit Bezug auf die Forschungsfragen festgehalten werden, dass
Antizionismus und Antisemitismus, welche nach Auschwitz nicht mehr voneinander zu trennen sind, in diesen selbstdefiniert sozialistischen und antiimperialistischen Gruppen, nämlich der (Neuen) Linkswende und der RKOB, einen großen Stellenwert einnehmen, wobei diese Phänomene bei der RKOB eine größere Rolle spielen als es bei der (Neuen) Linkswende der Fall ist. Außerdem wurde aufgezeigt, dass Überschneidungen zwischen der Ideologie dieser beiden Gruppen und Antisemitismus auftreten. Dies hat mehrere Gründe: Wie Thomas Haury bereits 2002 darlegte, sind dem Marxismus-Leninismus, auf welchen sich die RKOB explizit in ihrer Gründungserklärung beruft (RKOB – Gründungserklärung o.J.), aufgrund seiner eschatologisch-manichäischen Weltanschauung hinsichtlich Antikapitalismus, Antiimperialismus und Befreiungsnationalismus strukturell antisemitische Elemente immanent. Des Weiteren zeigt sich vor allem in der Opfer-Täter-Umkehr und der Relativierung und Trivialisierung der Shoah, dass sie sich aus dem ’sekundären Antisemitismus‘ speisen, d.h. dem Bedürfnis der Schuldabwehr aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs. Denn auch John Bunzl schrieb 1982, dass „in jeder Reaktion in irgendeiner Weise die Beziehung zur Vergangenheit dieses Landes eine Rolle (spielte), sowohl bei den Befürwortern als auch bei den Gegnern des israelischen Vorgehens“ (zitiert nach Reiter 2001: 308.). Der ‚Opfermythos‘ hat
allerdings dazu beigetragen, dass diese Vergangenheit in Österreich dekadenlang bloß sehr mangelhaft und aus einer Perspektive der angeblichen Passivität und Unschuld beleuchtet und bewältigt wurde, weshalb von einem postnazistischen Österreich gesprochen werden sollte, von welchem auch die österreichische Linke nicht entkoppelt betrachtet werden kann.

Die aktuellen Debatten innerhalb der lokalen Linken bezüglich der Veranstaltungen von BDS Austria und den Frauen in Schwarz im Amerlinghaus9 zeigen außerdem, dass den immer wieder neu aufflammenden Auseinandersetzungen um Antizionismus und Antisemitismus bzw. Israelsolidarität und dem Kampf gegen Antisemitismus innerhalb der Linken noch lange kein Ende bevorsteht, da sowohl Israel als auch Juden und Jüdinnen aufgrund der Flexibilität des Antisemitismus immer wieder unterschiedliche neue oder längst vergessene, althergebrachte Attribute zugeschrieben werden. Insofern ist John Bunzl zuzustimmen, wenn er meint: „Jüdisches (oder israelisches) Verhalten war noch nie die ‚Ursache‘ von Antisemitismus, der aus wilden Projektionen besteht. Vorwände für ihren Hass werden sich die Antisemiten immer finden“ (zitiert
nach Reiter 2001: 307.).

4. Fußnoten:

1: Dass und inwieweit die Ablehnung jüdisch-nationaler Selbstbestimmung nach Auschwitz selbst schon antisemitisch ist, wird weiter unter expliziert.

2: Wird so etwas Komplexes wie das kapitalistische Weltsystem der Steuerung Einzelner zugeschrieben, folgt die Verschwörungstheorie zumeist auf dem Fuß. Denn, wie anders können Personen das System steuern wenn nicht durch Verabredung (im Geheimen)? Und weil die erste „Verschwörung“ jene zum Mord an Jesus war und darum „Juden“ prototypische „Verschwörer“ sind, sind alle folgenden diesbezüglichen Mythen zumindest strukturell antisemitisch.

3: Ob des beschränkten Umfangs dieser Arbeit und zur Erleichterung des Leseflusses wird in weiterer Folge von den Organisationen RKOB und (Neue) Linkswende die Rede sein.

4: Weiterführende Literatur: Claussen, Detlev (2005): Grenzen der Aufklärung. Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus. Erweiterte Neuausgabe. Frankfurt am Main: S. Fischer.

5: Weiterführende Literatur: Selent, Karl (2005): Das Palästinensertuch. Was die Antiisraelischen unter den Linken über ihr bevorzugtes Kleidungsstück nicht wissen wollen, http://schoenistdasnicht.blogsport.de/2005/12/12/karlselent-das-palaestinensertuch/ [Zugriff: 5.2.2016].

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9: Weiterführende Literatur: Stanger, Karin (2016): Offener Brief an Bürgermeister Dr. Michael Häupl, die Stadt Wien sowie die Verantwortlichen im Amerlinghaus. Das Amerlinghaus darf BDS keine Bühne bieten!. 7.3.2016. http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160307_OTS0090/offener-brief-an-buergermeister-dr-michael-haeupldie-stadt-wien-sowie-die-verantwortlichen-im-amerlinghaus [Zugriff: 17.3.2016].

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Schwarz, Johannes Valentin (2005): Antisemitische Karikaturen und Cartoons . Fremdbilder – Selbstbilder. http://www.politik-lernen.at/dl/msLpJKJKoLnNoJqx4KJK/504_karikaturen.pdf [Zugriff: 8.3.2016].